Am Schloß Sanssouci, aber nicht zufrieden

An der Friedenskirche fallen sie mir auf: Ein älteres Pärchen; zwei Gesichter, die ich nicht kenne. Nach über einer Stunde mit meiner Gruppe von drei Handvoll internationalen Austauschstudenten kenne ich die Leute, die zu uns gehören und bemerke eben auch, wer nicht. Die beiden hören aufmerksam zu und verstehen offenbar Englisch.

Daß sich Leute unauffällig dazustellen, kommt natürlich immer mal wieder vor; besonders dort, wo sowieso viele Leute unterwegs sind. Das ist auch nicht schlimm, darf aber von einem guten Stadtführer nicht einfach so und kommentarlos hingenommen werden. Jedenfalls nicht, wenn man mit der Gruppe weitergeht und die Fremdgäste einfach so mitlaufen. In diesem Moment muß man handeln, weil man es nicht der Gruppe überlassen darf, sich zu dieser Situation zu verhalten. Stadtführen heißt Führen und damit: Herr – in meinem Falle Dame – der Lage zu sein.

Warum? Warum muß man etwas tun? Das fragen ich dann immer die Stadtführer-Schüler, die bei der IHK den Zertifizierungskurs mitmachen, in dem ich als Dozentin und Prüferin tätig bin. Ganz einfach: Meine Gäste bezahlen mich, und sie bezahlen bei dieser Art von Stadtführung dafür, mich für sich allein zu haben.

In diesem Falle entscheide ich mich, meine Gruppe anzusprechen: Während wir weiterlaufen, frage ich die unmittelbar bei mir gehenden Gäste, ob sie etwas dagegen hätten, daß sich unsere Gruppe erweitert hat? Ob das in Ordnung wäre? Einige von ihnen haben es noch gar nicht bemerkt und drehen sich jetzt erstaunt um. Einige andere hatten es schon bemerkt. Sie gucken sich an, tauschen kurz ein paar Bemerkungen und signalisieren dann freundliche Akzeptanz. Für mich ist die Sache damit erledigt, ich spreche die Fremdgäste nicht an, das ist nicht mehr nötig.

Nachdem ich mich nach etwa 20 weiteren Minuten von meiner Gruppe verabschiedet habe, gibt es noch ein paar Einzelnachfragen einiger Teilnehmer, während die anderen sich verstreuen und Fotos machen. Währenddessen bemerke ich, daß das mitgekommene Pärchen auf mich wartet: Sie bedanken sich bei mir, loben meine Leidenschaft für das Thema und meine Art, über die Dinge zu reden. Ich wiederum bedanke mich für das Kompliment und weise bei der Gelegenheit darauf hin, daß die Gruppe entschieden hat, sie zu akzeptieren, nachdem ich bemerkt hatte, daß sie sich uns angeschlossen hatten.

Auf diesen Wink mit dem Zaunpfahl gibt es keine spezifische Reaktion von ihnen, sie fahren fort mit ihrem Lob. Und dann haben sie noch eine Frage zum Schloß Sanssouci. Während ich diese beantworte, hole ich eine Visitenkarte aus meiner Tasche und geben sie ihnen: Wenn Sie das nächste mal in Potsdam wären, könnten sie mich ja buchen. Sie bedanken sich dafür und verabschieden sich.

Ganz zufrieden bin ich aus dieser Situation nicht herausgegangen, wie Sie sich vielleicht denken können. Und es hat ähnliche Momente gegeben, in denen Menschen, die sich unaufgefordert dazugesellt hatten und von meinen Gästen akzeptiert wurden, sich anders verhalten haben: Sie haben mir einen kleinen Obolus gezahlt oder angeboten, mich als Dank auf eine Tasse Kaffee einzuladen. Oder einfach klar angesprochen, wie dankbar sie sind, daß sie kostenlos zuhören durften. Oder mich gefragt, ob sie mich das nächste Mal buchen könnten und nach meiner Visitenkarte gefragt. Es hat sogar die Situation gegeben, in der meine zahlenden Gäste, die die Fremdgäste akzeptiert hatten, diese am Ende aufgefordert haben, sich erkenntlich zu zeigen.

Es geht nicht ums Geld, es geht um ein klares Signal dafür, daß man verstanden hat, daß dies eine Ausnahme war. Und darum zu zeigen, daß man dafür dankbar ist.