Und nun das Wetter
Nach einer wegen der tropischen Temperaturen durchwachten Nacht trifft man frühmorgens gleichfalls Geräderte in Latschen und Bademantel am Heiligen See. Wenigstens ein paar Schwimmzüge Abkühlung vor dem Bürotag; drüben vor dem Marmorpalais ist der See am tiefsten und kältesten, das Wasser morgens noch klar und frei von quiekenden Teenagern. Ein Mann hat ein klingelndes Handy im Bademantel: Ja Schatz, ich bring Brötchen mit. Äh, Moment, ich hab gar kein Geld – ach, dann laß ich anschreiben. Man kennt sich hier in der Gegend.
Vor ein paar Tagen war ich mal wieder auf der Freundschaftsinsel, die Gärtner kämpfen in der Hitze gegen das Unkraut im Staudenbeet. Viel davon gibt es nicht, aber diese Arbeit möchte ich jetzt nicht machen müssen.
Ach, würden Sie lieber im Büro sitzen bei dem Wetter?
Nö, aber im klimatisierten Bus vielleicht.
Die sind doch alle am Meer die Touristen. Wer will schon bei der Hitze Stadt gucken? Zu uns verirrt sich ja auch kaum einer. Kinder vorn auf dem Wasserspielplatz, ja, und Stammkunden auf ihren Bänken. Aber sonst? Wo doch alles so schön blüht gerade. Die Regner laufen Tag und Nacht!
Und wahrlich, die Insel ist eine grüne und blühende Oase im italienisch-heißen Potsdam. Da hat es die Schlösserstiftung schon schwerer mit ihren Parks. Die berühmten Rabatten dürsten natürlich nicht, und auch all die südlichen Kübelpflanzen sind in ihrem Element. Aber die Wiesen hat es doch schwer erwischt – nur woher sollte das Geld kommen, um quadratkilometerweise die Wiesen zu wässern?
Ganz schlimm ist es im Neuen Garten an den geduldeten Badestellen: Liegewiesen kann man das nicht mehr nennen, alles ist zu Sand und Dreck zerlegen und zerlatscht, übernutzt. Der Kompromiß, in bestimmten Bereichen des Parks, der ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, Badende und Liegende zu dulden, wird bei so viel Zerstörung doch arg strapaziert.
Der am Rand des Neuen Gartens Ende Juni eröffneten Gasthausbrauerei in der alten Meierei wird die Hitze recht sein: Das Bier fließt in Strömen, und es ist gut. Was man vom angebotenen Essen und vom Service leider nicht sagen kann. Als ich vorgestern eine Kollegin dort traf, erzählte sie mir, sie hätte sich neulich geweigert, mit einer Gruppe zum Essen dorthin zu gehen. Biertrinken ja, Essen nein.
Nun sind wir Stadtführerinnen und Stadtführer ja tatsächlich Multiplikatoren für Betreiber gastronomischer Einrichtungen. Aber wir sehen uns eben selbst als Dienstleister, ja Anwälte für unsere Gäste. Und darum ist es besonders unangenehm, wenn ein so traumhaft gelegener Ort die Gäste enttäuscht und deshalb von uns nicht empfohlen werden kann. Bitte, bitte, liebe Meierei! Wir erwarten ja keine gehobene Sterneküche, aber auch ein „Imbißangebot zum Bier“ muß einen bestimmten Standard haben. Auch bei schönstem Sonnenschein.
Das ebenfalls Ende Juni – ja, wie sagt man jetzt? – gesamteröffnete Pfingstberg-Belvedere hat keinen Grund zur Klage. Seitdem nun auch der Ostturm und die Nordkolonnade den Besuchern zur Verfügung stehen, wurde, und zwar diese Woche, der 200.000 Gast begrüßt. Mit Sekt und Restaurantgutschein und Bildbänden und allem Piff und Paff. Und es war – eine Touristin! Es gibt sie also doch, die nimmermüden und neugierigen Potsdam-Liebhaber, und auch auf dem Pfingstberg. Den zu besteigen – er ist die höchste Erhebung Potsdams – bei dieser Hitze durchaus eine Herausforderung ist.
Aber die Sicht, die Aussicht! An klaren Tagen bis zum Alexanderplatz in Berlin! Es gibt aber auch Besucher, die über die Wendeltreppe einen Turm erklommen haben, sich aufrichten und erstaunt sind: Ja, wo ist denn Potsdam? Und richtig: Von oben alles grün, alles Landschaft. Gut, ein paar Kirchtürme gucken heraus und auch – leider – ein paar hohe Plattenbauten, aber sonst? Alles grün. Kein bißchen trocken von hier oben.
Und im östlichen Arkadengang hat sich eine Taube das wohl am schönsten gelegene Nest der Stadt eingerichtet. Wie sagen die Makler immer? Lage, Lage, Lage!